Rezensionen

Nikola Petković: Identität und Grenze: Hybridität und Sprache, Kultur und Bürger des 21. Jahrhunderts

Nikola Petković: Identitet i granica. Hibridnost i jezik, kultura i građanstvo 21. stoljeća [Identität und Grenze: Hybridität und Sprache, Kultur und Bürger des 21. Jahrhunderts]. Zagreb: Naklada Jesenski i Turk 2010. 370 S. ISBN 978-953-222-335-4

In Südosteuropa sind Begriffe wie Identität und Grenzen seit einiger Zeit in den Fokus geraten. Sie spielen eine wichtige Rolle im öffentlichen Diskurs der Politik, Medien, Kultur und Wissenschaft. Die kulturologische Studie von Nikola Petkovic „Identität und Grenze: Hybridität und Sprache, Kultur und Bürger des 21. Jahrhunderts“ versucht neue Akzente im Umgang mit diesem Thema in Kroatien zu setzen.



Eine Art Motto des Buchs stellt der Gedanke des amerikanischen Philosophen Akeel Bilgrami dar, dass der Begriff der Identität sein Korsett abgeworfen habe und sich nunmehr im Bereich der Kultur und Politik frei bewege. In sieben Kapiteln des Buchs ist deshalb die Hauptfrage, was eigentlich Identität ist; was heißt, Kroate oder Moslem oder Amerikaner zu sein. Auf der Suche nach einer Antwort folgt der Verf. dem Weg dieses Begriffs in der Kulturologie seit zwanzig Jahren durch die üblichen Kategorien: Ethnos, Rasse, Klasse, Gender, Nation und Sprache.

Im einleitenden Teil werden theoretische Aspekte beleuchtet. Dabei wird auf die Gefahr der Nichtunterscheidung des Begriffs Identität vom Prozess der Identifikation hingewiesen. Der Verf. führt Beispiele aus der Kulturgeschichte an, in denen Identifikation als Identität verstanden wurde, und besteht auf einer klaren Unterscheidung zwischen Identifikation und Identität.
 
Das anschließende Kapitel lenkt die Aufmerksamkeit zunächst auf Erinnern und Vergessen. In diesem Zusammenhang wird auf die Frage eingegangen, welche Modelle für Bürger des 21. Jahrhunderts entwickelt werden können. In Zeiten der Globalisierung hält der Verf. die zeitliche Dimension für wichtiger als die räumliche.
Die darauf folgenden Kapitel befassen sich mit der kulturellen und sprachlichen Dominanz im Kontext der Identitätsfrage. Es fällt ins Auge, dass das Motiv Sprache die ganze Suche nach Identitäten in diesem Buch durchzieht. Der Verf. konzentriert sich dabei auf Kroatien, aber wider Erwarten geht es nicht – wie ansonsten üblich in Werken zum selben Thema – um die Rolle der Sprache bei der Konstruktion einer kroatischen Identität gegenüber der serbischen. Stattdessen wird eine regionale Identität innerhalb Kroatiens beschrieben, die auf dem cakavischen Dialekt beruht. Ausgehend von der Beziehung des cakavischen Dialekts zur štokavischen Standardsprache entwickelt der Verf. die These von der Hegemonie des Standards in Kroatien. Eine völlige Marginalisierung des Cakavischen wird nachgewiesen, die selbst in der künstlerischen Domäne zu beobachten ist. So befinde sich beispielsweise die cakavische Poesie in einer Art Ghetto und werde auf fast kindische Motive reduziert. Mit Hilfe von Zitaten deckt der Verf. abwertende Einstellungen zu den Dialekten bei kroatischen Literaturwissenschaftlern und beim kroatischen Sprachwissenschaftler Dalibor Brozovic auf. Diese unterzeiht er Kritik und versucht einen Beitrag zur Überwindung der kulturellen Hegemonie des Standards zu leisten. Die Kultur in Kroatien sei dreisprachig (Štokavisch, Kajkavisch, Cakavisch), wobei sich cakavisch oder kajkavisch Sprechende in einer Situation befinden, die Petkovic mit Hilfe der „Kolonialisierung der Psyche Einzelner“ darstellt, eines Begriffs, den die amerikanische Philosophin Kelly Oliver eingeführt hat.
 
Im Allgemeinen haben amerikanische Autoren (u.a. Kwame Anthony Appiah, Henry Louis Gates, Homi Bhabha) die Konzeption dieses Buchs sehr beeinflusst. Der Verf. geht davon aus, dass die postkommunistische Identitätssuche in Kroatien und die postkoloniale Identitätssuche in außereuropäischen Ländern viel gemeinsam haben. Andererseits kommt im Buch stark zum Ausdruck die Kluft zwischen den kulturologischen Kenntnissen und der öffentlichen Meinung in Kroatien. Petkovic schildert, wie historische Narrative und pseudohistorische Argumente in Kroatien verbreitet werden, um Identität zu schaffen. Darin sieht er neu-nationalistische Instrumentalisierung der Massengefühle. Die wissenschaftliche Sichtweise, dass Identitäten nicht (nur) geerbt, sondern auch konstruiert werden, und dass es mehr als eine Identität gibt, wird in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht vertreten. Insofern ist die Studie von Nikola Petkovic ein Schritt zu „Bürgern des 21. Jahrhunderts, die die Welt um sich herum bewusst wahrnehmen und die sich für sogenannte feste Identitäten nicht interessieren sollten“ (S. 146).
 
Mainz
Snježana Kordić

 

Berichte

Museum der zerbrochenen Beziehungen

Ein Museum in Zagreb zeigt, was von der Liebe übrig blieb.

Berichte

Lumbarda: Ein modernes Reiseziel mit antiken Wurzeln

Nur wenige Kilometer von der Stadt Korčula entfernt, am östlichen Ufer der gleichnamigen Insel, liegt das Dorf Lumbarda. Vor mehr als zweitausend Jahren war Lumbarda eine Gemeinde der griechischen Kolonie der Insel Vis.
Im Jahr 1877 entdeckten Archäologen in Lumbarda eine antike Steinschnitzerei, das als Lumbarda-Psephisma bekannt wurde.

Rezensionen

Miroslav Krležas Werk im lichte der Französischen Kritik

Bisher wurden sechs Werke Miroslav Krležas ins Französische übersetzt, und zwar: „Beisetzung in Theresienburg“ (Novellen, Edition de Minuit, in der Übersetzung von Antun Polanšćak mit einem Vorwort von Léon Pierre Quint, Paris 1956), „Die Rückkehr des Filip Latinovicz“ (Roman, herausgegeben von Calman, Lévy, in der Übersetzung von Mila Đorđević und Clara Malraux, Paris 1957), „Das Bankett von Blitwien“ (Roman, herausgegeben von Calman-Lévy, in der Übersetzung von Mauricette Beguitch, Paris 1964). „Ohne mich“ (Roman, Edition De Seuil, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1969), „Der kroatische Gott Mars“ (Novellen, herausgegeben von Calman-Lévy, übersetzt von Janine Matillon und Antun Polansćak, Paris 1971). „Die Balladen des Petrica Kerempuch“ (Edition Presse Orientales de France, übersetzt von Janine Matillon, Paris 1975).
Sie alle haben eine warme Aufnahme gefunden. Wir bringen hier einige Auszüge aus Rezensionen (Maurice Nadeau, Léon Pierre Quint, Claude Roy, Marcel Schneider und andere), die das Werk Krležas auf jeweils verschiedene Art und Weise beleuchten.
Maurice Nadeau widmet (u. d. T. „Ein großer jugoslavischer Schriftsteller“) im „France Observateur“ vom 20. Juni 1956 eine ganze Seite dem Erscheinen der Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“. Daraus einige charakteristische Passagen: Für viele wird die Novellensammlung „Beisetzung in Theresienburg“ zu einer wirklichen Offenbarung werden...

Der Text ist ursprünglich in der Literaturzeitschrift Most/The Bridge (Heft 3-4, 1979) erschienen.

Berichte

Das Bild der Deutschen in der neuen kroatischen Literatur

Modernisierer, Kollaborateure, Faschisten: Die Geschichte und die Wahrnehmung der Balkandeutschen ist vielfältig und bis heute mit Tabus belegt. In den letzten Jahren sind sie jedoch zum Thema der kroatischen Literatur geworden.

Von Martin Sander und Ksenija Cvetković-Sander / Deutschlandfunk kultur

Berichte

Was willst du in Senj, Thilo?

"Und du willst nach Senj, Thilo?“

Ja. Ich wollte trotz des touristischen Überangebot Kroatiens jene Stadt sehen, in die der von den Nazis verfolgte Kurt Held und seine Frau Lisa Tetzner 1940 kamen und Inspiration zum Verfassen der „Roten Zora“ erhielten.

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